Bambus – eine vielseitige Pflanze zum Bauen, Verpacken und Essen
Während wir bei Bambus an die Lieblingsspeise der Pandas denken oder seit 2016 mit dem Jugendwort „Bambusleitung“ eine schlechte Internetverbindung bezeichnen, hat der kolumbianische Architekt Simón Vélez einen ganz anderen Bezug zu dieser Pflanze: Er nutzt Bambus als Bau-Rohstoff. Sein erstes Projekt Mitte der achtziger Jahre war der Bau eines Stalls für einen Freund, der sich als verwendeten Rohstoff Bambus wünschte. Dann folgte ein Clubhaus. Mittlerweile hat er weltweit Bambus-Bauten unterschiedlichster Größe konstruiert: Wohnhäuser, Pavillons, Brücken, Kirchen und Markthallen. Er schätzt die vielen Vorteilen von Bambus: es wächst schnell und ist bald einsatzbereit, bringt Stabilität und Elastizität auf, ist belastbar auf Zug und Druck, und wenn auch brennbar ist es doch schwer entflammbar.
Als Vélez mit den kleineren Projekten begann, galt Bambus in Kolumbien eher als minderwertiger Baustoff für arme Leute, weil er günstig erhältlich war. Reichere Leute bevorzugten Beton. Inzwischen ist Bambus auch in höheren Schichten wieder gefragt. In Europa hingegen ist das Bauen mit Bambus schwierig, da es keine Normung und keine rechtlichen Grundlagen für die Bauvorschriften mit Bambus gibt. Die Beliebtheit von Bambus ist eher in anderen Bereichen in Europa stark gewachsen. Denn die Pflanze ist auch abseits von Bauvorhaben sehr vielseitig einsetzbar: Über Instrumente, Zahnbürsten, Körbe, Geschirr und weiteren Bedarfsgegenständen, essbare Teile wie Bambussprossen bis hin zu der Verwendung als Verpackung. Was ist Bambus, was macht die Pflanze so besonders und wie nachhaltig ist der Einsatz als Verpackungs- oder Bau-Rohstoff?
Inhaltsverzeichnis
Der Charakter von Bambus
Was ist Bambus? Wo wächst er?
Die Bambus-Blüte
Bambus als Material – von Zahnbürste über T-Shirt bis Villa
Bambusprodukte – vermischt oder unbehandelt
Bambus als Lebensmittel - Sprossen, Mehl und Tee
Bambus – eine Pflanze der vielen Möglichkeiten
Der Charakter von Bambus
Während Bambus bei uns zuweilen noch als etwas Exotisches gilt, ist er im asiatischen Gebiet ein langer Begleiter mit viel Symbolik. Das zeigt sich beispielsweise an dem ältesten überlieferten Märchen aus Japan, das von einem Bambussammler handelt, der in einem Bambushalm die Prinzessin Kaguya findet, die vom Mondkönigreich auf die Erde hinab gekommen ist.
Der Charakter des Bambus gilt als nachahmenswert: ausdauernd, beständig und flexibel. Mit diesen Eigenschaften identifizierten sich die Menschen. Es ging darum, sich an die Umstände anpassen zu können, Krisen durchzustehen und unbeschädigt daraus hervorzugehen.
Der Bambus kennt keinen Winterschlaf – er ist immer grün und so symbolisiert er in China ein langes Leben. In Indien steht er für Freundschaft, in Japan für Reinheit und Wohlstand – letzteres ist in der stabilen Wurzelstruktur begründet. Damit verbunden ist ebenso die Symbolik der Sicherheit, denn die stabilen Wurzeln galten als Zufluchtsort bei Erdbeben.
Auch in Deutschland wird Bambus zunehmend in Gärten gepflanzt, denn er sorgt mit seiner frisch-grünen Farbe und dem Rascheln bei schon sehr leichtem Wind für eine angenehme Atmosphäre.
Was ist Bambus? Wo wächst er?
Beheimatet ist Bambus in tropischen, subtropischen und warmen Klimaregionen, hat sich aber mit der Zeit weltweit ausgebreitet. Die European Bamboo Society Sektion Deutschland e.V. (EBS) informiert: „Bambus ist außerordentlich anpassungsfähig; er kommt von 50′ nördlicher Breite im Norden von Japan bis 47′ südlicher Breite im Süden von Chile vor, von Meeresniveau bis in 4.000 m Höhe, von sehr kalten bis zu tropischen Regionen. In seiner höchsten Artenvielfalt findet man Bambus aber in den tropischen und subtropischen Gebieten, vor allem des asiatischen Raumes, von Japan bis zum Himalaya.“ Bambus fand den Weg von Asien nach Europa im 19. Jahrhundert durch die Dampfschifffahrt. Allerdings gibt es Versteinerungen, die davon zeugen, dass es schon vor den Eiszeiten Bambus in Europa gegeben hat.
Die schlanken Halme tragen an der Seite Halmblätter und oben luftige Laubblätterkronen. Die immergrüne Pflanze bringt auch Farbe im Winter. Dabei ist das Farbspektrum des Halms und der Blätter weit: von dunkel- bis hellgrün, gelb, violett bis schwarz, einfarbig oder gefleckt, matt oder glänzend. Manche Arten weisen gestreifte breite Längslinien auf.
Die Struktur und das Aussehen von verarbeitetem Bambus erinnern stark an Holz, Bambus gehört aber botanisch zu den Süßgräsern. Braucht ein Baum etwa 80 Jahre, um voll ausgewachsen zu sein, kann der Bambus schon nach wenigen Jahren geerntet werden. Eine der über 1200 Bambus-Sorten ist der Guaduabambus (den auch Simón Vélez benutzt), der beispielsweise schon nach etwa einem Jahr seine volle Größe von 20 bis 25 Metern erreicht. Eingeteilt nach Größe spricht man bei einer Höhe bis 1,5 Metern von Zwergbambus, kleiner Bambus ist 1,5 bis 3 Meter groß, mittlerer Bambus 3 bis 9 Meter und alles über 9 Meter gehört zum Riesenbambus. Die höchste Bambus-Art wird bis zu 48 Meter hoch.
Bambus wächst pro Tag etwa 30-50 cm (einige Arten sogar über einen Meter pro Tag), benötigt keine künstliche Bewässerung und ist widerstandsfähig gegen Schädlinge, sodass keine Pestizide oder Insektizide eingesetzt werden müssen. Nach dem Fällen der Bambushalme schlagen neue Triebe aus, was durch das großflächige Wurzelsystem möglich ist.
Das Wurzelwerk hat es in der Tat in sich, wie jeder Gärtner weiß. Viele Bambusarten bilden Wurzelausläufer (Rhizome), die sich unterirdisch über mehrere Meter ausbreiten und keine Rücksicht auf Steinplatten, Folienteiche oder Grundstücksgrenzen nehmen. Um nicht versehentlich seinen Garten (und den des Nachbarn) zu einem Bambuswald zu machen, sollten Wurzelsperren mit 65 bis 95 cm Tiefe gebaut werden. Nachträglich das Wurzelwerk einzugrenzen ist sehr herausfordernd.
Die Bambus-Blüte
„Bambus blüht sehr selten – und wenn, dann unscheinbar. Dennoch ist die Bambusblüte geheimnisvoll und faszinierend. Denn wenn Bambus blüht, kann die ganze Pflanze nachfolgend absterben.“, erklärt die EBS.
„Vor 20 Jahren dachte man die Bambusblüte begriffen zu haben: Bambus blüht in artspezifischen Blühzyklen. Alle Pflanzen eines ‚Klons‘ blühen zeitgleich überall auf der Welt und Bambus stirbt nach der Blüte.“ Bei manchen Arten dauert ein Blühzyklus wenige Jahre, bei anderen kann er bis zu 60 oder sogar 120 Jahren betragen.
Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass viele Bambusarten nicht diesen Regeln folgen. Beispielsweise gibt es Teilblüten, bei der nur einige Halme, nicht aber die ganze Pflanze blüht. Diese Teilblüte kann über mehrere Jahre dauern. Oder es kommt durch Staunässe oder Hitze zu einer Stressblüte. Nicht jeder Bambus stirbt sofort nach der Blüte. Das konnte bei der Bambusart Phyllostachys kwangsiensis beobachtet werden, die sich nach Vollblüte mit reifen Samen wieder voll erholte. Zwei Jahre später gab es eine zweite Vollblüte, nach der die Pflanze starb.
Somit ist die Bambus-Blüte immer noch nicht ganz verstanden und behält ihre geheimnisvolle Faszination.
Bambus als Material – von Zahnbürste über T-Shirt bis Villa
Bambus als Material ist stabil und gleichzeitig flexibel. Es ist von innen hohl und damit leichter und biegsamer als Holz. Ein weiterer Vorteil von Bambus gegenüber Holz ist eine gleichmäßige Bearbeitung und Oberflächenbehandlung, da es keine Astlöcher oder Harze gibt. Bei Feuchtigkeit ist Bambus ebenfalls überlegen, denn trotz Aufnahme von Feuchtigkeit quellt es deutlich weniger als Holz.
So findet Bambus eine große Anwendung von klein bis groß: Zahnbürsten, Deko-Artikel, Geschirr, Schneidebretter, Toilettenpapier, Wattestäbchen, waschbare Küchentücher, Spielzeug, Musikinstrumente, Papier, Fahrräder, Möbel wie Stühle, Regale, Tische oder Betten bis hin zu größeren Gebäuden wie Brücken, Wohnhäuser, Kirchen oder Schulen.
Bambus in Textilien
Kleidung kann ebenfalls aus Bambus hergestellt werden. Textilien aus Bambus sind weich, kühl, atmungsaktiv und leicht. Das nachhaltige Image von Bambus wird genutzt, um die Kleidung aus Bambusfasern als umweltfreundlich zu bewerben.
Bei der Herstellung von Bambusfasern gibt es chemische und mechanische Verfahren. Der Großteil wird chemisch gewonnen, vor allem durch das Viskoseverfahren. Dabei kommen viele Chemikalien zum Einsatz, sodass die Eigenschaften der natürlichen Bambusfasern in solchen Bambus-Viskoseprodukten nicht mehr vorhanden sind. Bambusviskose fühlt sich glatt und seidig an wie andere Viskosefasern.
Beim mechanischen Verfahren werden die Bambushalme gespalten und der holzige Teil abgeraspelt. Anschließend sorgen Enzyme für die Trennung von Faser- und Halmteile. Die Fasern werden ausgekämmt und zu Garnen versponnen. Textilien aus natürlichen Bambusfasern ähneln in ihrer Zusammensetzung Bastfasern und ergeben einen leinenähnlichen Stoff. Das mechanische Verfahren gilt als umweltfreundlicher, ist allerdings zeitaufwändig, arbeitsintensiv und kostspielig. Daher sind natürliche mechanisch hergestellte Bambusfaser noch nicht kommerziell nutzbar oder erschwinglich. Die momentane Forschung und Optimierung des Verfahrens wird vermutlich in Zukunft grünere und reinere Bambustextilien ermöglichen.
Das Interesse an Bambusprodukten wächst, denn das schnelle Wachstum und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten macht es zu einem idealen Rohstoff für mehr Nachhaltigkeit.
Bambusprodukte – vermischt oder unbehandelt
Wird Bambus in der Architektur verwendet, müssen verschiedene Materialien vermischt werden. Traditionell ist die Nutzung von Seilen oder Bändern, um die Halme zu verbinden. Vélez benutzt bei seinen Bambuskonstruktionen zur Verbindung der Knotenpunkte Beton, der in die hohlen Bambusrohre gegeben und in den Stahl eingelassen wird. Auch das Anbringen von Stahllaschen oder Nutzung von Gewindestangen ist üblich.
Wo Vermischung vermieden werden sollte, ist der Lebensmittelbereich. Lange wurden beispielsweise Kaffeebecher verkauft, bei denen das reine Bambus mit Kunststoffen vermischt wurde. Manchmal war sogar der Hauptbestandteil Kunststoff und nur eine kleine Beimischung Bambuspulver. Die Kunststoffe waren für den Kontakt mit Lebensmitteln nicht zugelassen und dieses Mischmaterial war vor allem beim Erhitzen von Lebensmitteln gesundheitlich bedenklich. Die Verbraucherzentrale Bundeszentrale informiert: „Von Kunststoffprodukten, denen Bambusfasern zugesetzt sind, ist bekannt, dass sie beim Kontakt mit heißen Getränken und Speisen potenziell krebserregendes Formaldehyd abgeben können.“ Im Juni 2020 erklärte die Expertengruppe der Europäischen Kommission Bambus in Kunststoffgeschirr für nicht verkehrsfähig und darf somit offiziell nicht mehr verkauft werden.
Produkte aus reinem Bambus sind im Kontakt mit Lebensmitteln kein Problem und sind weiterhin zulässig. Ob es sich um ein reines Bambusgeschirr handelt, ist an der hell- bis dunkelbraunen Farbe und der Holzmaserung erkennbar. Die Verbraucherzentrale bestätigt: „Von reinem, unbehandeltem Bambus – beispielsweise als Schneidebrett – geht keine Gefahr aus.“
Bambus als Verpackungsmaterial
Der Herstellungsprozess von Bambus-Verpackungen ist dem von Papier oder Pappe sehr ähnlich; Chemikalien oder Zusatzstoffe sind nicht notwendig. Dadurch sind Verpackungen aus Bambus biologisch abbaubar und kompostierbar. Zumindest sehr häufig. Denn teilweise gibt es noch nicht die technischen Fertigungsmöglichkeiten, um ganz auf Kunststoff zu verzichten, sodass Hersteller Kompromisse eingehen müssen.
Bambus als Lebensmittel
Nicht nur als Material für Gegenstände, Verpackungen und Gebäude wird Bambus angebaut, sondern ebenso als Gemüse oder als Mehl.
Bambussprossen
Bambussprossen als Lebensmittel werden insbesondere in Asien seit langer Zeit gegessen. Geerntet werden Bambussprossen ähnlich wie Spargel: Sie werden etwas freigelegt und dann aus der Erde gestochen. Die verbleibende Wurzelreste werden entfernt. Sie haben etwa eine Länge von 30 cm und sind 150-200 g schwer. Der fast hellgelbe Sprossansatz ist essbar und erfordert noch ein paar Handgriffe, bevor er verzehrsfertig ist: Die Niederblätter müssen entfernt werden, in Stücke zerkleinert und bissfest gekocht oder gedünstet werden.
Hauptsächlich werden Bambussprossen in Reisgerichten serviert. Achia oder Atchia ist eine in Indien gängige Zubereitung: Die gekochten Bambussprossen werden als Essiggemüse mit scharfen Gewürzen eingelegt.
Bambussprossen sind kalorien- und fettarm und punkten mit Ballaststoffen und Mineralstoffen. Sie enthalten viel Kalium und vor allem Kieselsäure, wie kaum eine andere Pflanze. Das in Kieselsäure gebundene Silizium ist wichtig für gesunde Haut, Haare, Nägel und Knochen.
Bambussprossen dürfen nicht roh verzehrt werden, sie müssen unbedingt gegart werden! Denn im rohen Zustand enthalten die Sprossen Blausäureglykosid, was im Körper zu Blausäure umgewandelt wird. Erst durch das Kochen werden die Verbindungen unschädlich gemacht.
Bambusmehl
Zur Herstellung von Bambusmehl werden die Bambusfasern von der Sorte „dendrocalamus asper“, dem essbaren Riesenbambus, gereinigt, getrocknet und vermahlen. Das Mehl ist sehr fein, geschmacksneutral und kann bei Teigwaren, Suppen und Saucen verwendet werden, zur Ballaststoffanreicherung oder als Bindemittel.
Bambusmehl ist in der low carb-Diät sehr beliebt, da es 95% Ballaststoffe enthält. Daher taucht auch die Bezeichnung „Ballaststoffmehl“ auf. Ballaststoffe liefern kaum Kalorien – Bambusmehl haben etwa 195 kcal pro 100 g. Das ist ein deutlicher Unterschied zu Getreidemehlen, die vor allem Kohlenhydrate aufweisen und bei 350 kcal pro 100 g liegen.
Grundsätzlich ist die Bambus-Art Dendrocalamus asper als Lebensmittel zugelassen, allerdings bezogen auf die Sprossen und nicht auf die Faser. Vom lebensmittelrechtlichen Blick macht zudem der Einsatz-Grund des Bambusmehls einen Unterschied: Wird es aus ernährungsphysiologischen Gründen in ernährungsrelevanten Mengen (mind. 3 Prozent) einem Lebensmittel zugesetzt, würde es als Ballaststoff gelten und wäre grundsätzlich zulässig. Wird es aus technologischen Zwecken zugesetzt, z.B. zur Strukturverbesserung oder Wasserbindung, würde es als Zusatzstoff gelten und wäre nicht zulässig. Dr. Rüdiger Schneider vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe schrieb im Jahresbericht 2011 – Lebensmittelüberwachung BW: „Für Maisfaser, Erbsenfaser, Bambusfaser besteht noch Klärungsbedarf, ob diese wirklich aus Lebensmittelrohstoffen gewonnen werden beziehungsweise welche Pflanzenteile verwendet werden. Weiterer Klärungsbedarf besteht auch bei der Frage, ob es sich um Novel Food handelt, weil ein neuartiger Herstellungsprozess angewendet wird.“
Bambustee
Neben den Sprossen und den Fasern finden sich ebenfalls Bambus-Blätter im Lebensmittelbereich, die für Tees verwendet werden. Genutzt werden junge, frisch gepflückte Bambusblätter. Die mögliche Erntezeit beträgt nur fünf Wochen. Direkt nach dem Pflücken werden die Blätter gereinigt, mit Wasserdampf behandelt, getrocknet und anschließend geröstet.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin werden dem Bambus Heilwirkungen zugeschrieben wie beispielsweise verdauungsfördernd, entgiftend, entschlackend und unterstützend beim Abbau von Körperfett. Die Blätter sollen über 200 Wirkstoffe enthalten, die auch Extremtemperaturen überstehen.
In der EU gelten Bambusblätter als „neuartiges Lebensmittel“ und sind nicht offiziell zugelassen. „Unter dem Begriff „neuartiges Lebensmittel“ (Novel Food) versteht man alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden“, heißt es vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Es gilt ein Verbotsprinzip mit Ausnahmevorbehalt. Ein neues Lebensmittel wird erst auf Unbedenklichkeit geprüft, um gesundheitliche Risiken möglichst zu vermeiden. Ein Teehandel verkauft Bambusblätter daher mit der Anmerkung „Lt. EU Verordnung zur Dekoration.“
Prof. Dr. Peter Nick vom Botanischen Institut und Molekulare Zellbiologie am Karlsruher Institut für Technologie erklärt die Herausforderung beim Handel mit Bambusblättern. Es geht um „nomenklatorisch verursachte Fehldeklaration“, also das Durcheinander von botanischer und traditioneller Benennung von Bambusblättern. „Unter der Bezeichnung Dan Zhu Ye haben diese Bambusarten [Sasa palmata, Sasa kuriliensis und Lopaterum gracile] schon eine lange Tradition in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).“ Für die vielen Bambusarten gibt es teils wissenschaftliche Synonyme, sodass das Team von Prof. Nick die für Tee verwendeten Bambusblätter genetisch analysierte und einen Test entwickelte, um die Echtheit der Blätter überprüfen zu können. „Als wir diesen Test auf zufällig gezogene Handelsproben anwandten, zeigten sich bei manchen Proben überraschende Ergebnisse. Als wir der Sache nachgingen, stellte sich heraus, dass einige der als Bambustee gehandelten Proben gar keinen Bambus enthielten, sondern Blätter chinesischer Nelkenarten. Der mögliche Grund für diese falsche Etikettierung liegt vermutlich darin, dass diese ebenfalls in der TCM eingesetzten Nelken häufig als Shi Zhu (Steinbambus) bezeichnet werden, weil die Blätter den Bambusblättern ähneln und diese Pflanze häufig in chinesischen Steingärten gepflanzt wird.“ Einige Großhändler verkauften diese Nelken-Blätter als „Bamboo Tea Carnation“. Das Beziehen des Tees im chinesischen Internethandel, in der die Blätter mit traditioneller Bezeichnung und englischer Übersetzung aufgeführt werden, führte zu größeren Mengen von Nelkenblättern als vermeintlicher Bambustee. Weiter führt Prof. Nick aus: „Die Nelke (Qu Mai) gilt in der TCM als bitter und kalt und wird unter anderem dazu eingesetzt, den Urogenitaltrakt zu aktivieren - neben einer harntreibenden Wirkung können auch Kontraktionen der Gebärmutter ausgelöst werden, weshalb Schwangere dieses Präparat meiden sollten. Die Verwechslung von echtem Zwergbambus mit „Steinbambus“ kann also für Verbraucherinnen üble Folgen haben.“
Der momentane Status beim EU Novel Food Katalog ist offen (Stand April 2022). Möglicherweise fällt die Zulassung irgendwann ähnlich aus wie bei Steviablättern, die für Tee, nicht aber für andere Lebensmittel zugelassen sind.
Bambus – eine Pflanze der vielen Möglichkeiten
Bambus erlebt einen regelrechten Boom. Denn das vielfältig einsetzbare Gras ist im Zeichen der Nachhaltigkeit sehr beliebt. Reine Bambusfasern zählen zu den nachwachsenden Rohstoffen, sind biologisch abbaubar und kompostierbar. Der besondere Vorteil von Bambus ist das schnelle Wachstum, sodass oft geerntet werden kann. Mit der „Rodung“ stirbt die Pflanze nicht, sondern es bilden sich nach der Ernte aus dem Wurzelnetz neue Halme. Außerdem bindet Bambus bis zu vier Mal mehr CO2 als unsere heimischen Bäume. Die weite globale Anbau-Möglichkeit ist ein großer Vorteil – dadurch könnten längere Transportwege reduziert werden, wenn zurzeit auch noch das meiste Bambus aus Asien oder Afrika importiert werden muss. Das leichte Material hat beim Transport einen kleineren CO2-Abdruck als schwereres Material wie Holz. Für den Nachhaltigkeitsaspekt ist die Frage nach den Anbaubedingungen von Interesse. Orientierung können Siegel geben, die für nachhaltig bewirtschaftete Bambus-Plantagen mit sozialverträglichen Arbeitsbedingungen stehen.
Übrigens spielte Bambus bei der Erfindung von elektrischem Licht eine Rolle. Der Optiker und Uhrmacher Heinrich Göbel beschäftigte sich mit der Herstellung von Glühbirnen. Sein angesengter Bambusspazierstock brachte ihn auf die Idee, Bambusfasern als Glühfaden zu nutzen. So beleuchtete er 1855 mit verkohlten Bambusfäden in leeren Parfümflaschen sein Geschäft, was die Nachbarn allerdings störte, weil es ihnen zu hell war.
So zeigen Geschichte und Gegenwart, dass Bambus großes Potential hat und das die Verwendung und Bedeutung des Jugendwortes „Bambusleitung“ der faszinierenden Pflanze in keiner Weise gerecht wird.
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