Gemüse als Deckmantel für Zucker?
Wusstest du, dass verpacktes Gemüse nicht mit „zuckerfrei“ beworben werden dürfte? Es überschreitet nämlich die gesetzlich vorgeschriebene 0,5g-Grenze Zucker pro 100g. Zucker in Gemüse wird wenig thematisiert, denn Gemüse wird durchweg als gesund angesehen. Ohne Bedenken wird das gute Image des frischen Gemüses auf verarbeitete Produkte übertragen. Warum sollte man bei einem Gemüsesnack einen Blick auf die Nährwerttabelle werfen? Man erwartet nicht, dass sich da „Überraschungen“ befinden. Der Zuckergehalt von einem Gemüsesnack aus getrockneten Tomaten, Öl und Gewürzen kommt auf etwa 40g Zucker pro 100g. Und das ist wirklich nur natürlich enthaltener Zucker. In einem Gemüsesnack vermutet man das nicht.
Haben wir den Fokus so auf zuckerreiche Fruchtsäfte und Fruchtsaftkonzentrate gerichtet, dass die Lebensmittelindustrie als nächstes getrocknetes Gemüse und Gemüsesaftkonzentrat als Zuckerquelle nutzt? Sollte es genauso bewertet werden wie Fruchtsaftkonzentrat, wenn es denn überhaupt vergleichbar eingesetzt wird? Wie viel Zucker steckt in Gemüse? Wie viel Zucker nehmen wir über Gemüse auf? Spielt getrocknetes Gemüse eine Rolle als süßendes Lebensmittel?
Inhaltsverzeichnis
Wie viel Zucker ist in Gemüse-Sorten?
Wie viel Zucker nehmen wir über Gemüse auf?
Ist getrocknetes Gemüse vergleichbar mit Trockenobst?
Welche Vorteile bieten getrocknetes Gemüse?
Wo wird getrocknetes Gemüse genutzt?
Gemüsesäfte, Smoothies und eingelegtes Gemüse – wie viel Zucker steckt drin?
Verliert Gemüse seinen gesunden Ruf?
Wie viel Zucker ist in Gemüse-Sorten?
Gemüse hat nicht den Ruf eines zuckerreichen Lebensmittels. Das ist wenig verwunderlich, denn in frischem Zustand erreichen die zuckerreichsten Gemüsesorten wie Rote Bete und Karotte nur etwa 8g Zucker auf 100g. Vergleichbar ist das mit Honigmelone oder Nektarinen, die eher im unteren Mittelfeld von Zuckergehalt bei Früchten liegen. Zuckerreiche Obstsorten sind zum Beispiel Trauben mit 15g Zucker/100g oder Feigen mit 16g/100g, also doppelt so viel wie „zuckerreiche“ Gemüsesorten.
Wird Gemüse getrocknet, erhöht sich der Zuckeranteil. Die Veränderung ist in der Tabelle dargestellt. Die Werte können je nach Sorte und verbleibenden Wasseranteil abweichen und höher oder niedriger ausfallen.
Wie viel Zucker nehmen wir über Gemüse auf?
Eine Ernährung mit viel Gemüse und Obst gilt als Schutz vor Krankheiten, wie Krebs, Adipositas, Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt fünf Portionen Gemüse und Obst pro Tag. Das sind etwa 650g für einen Erwachsenen. Davon sollten 400g Gemüse sein (drei Portionen) und folglich 250g Obst (2 Portionen).
Tatsächlich bleiben die Deutschen weit unter der Empfehlung. Der Verzehr von Gemüse lag laut Statistischen Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Jahr 2018/2019 bei 97kg pro Kopf pro Jahr. Das sind nur zwei Drittel der angeratenen 146kg Gemüse pro Kopf pro Jahr.
Der Bundeslebensmittelschlüssel (eine Datenbank für den Nährstoffgehalt von Lebensmitteln) gibt durchschnittlich 2,5g Zucker pro 100g Gemüse an. Angelehnt an die 97kg Gemüse pro Kopf pro Jahr nehmen wir also pro Tag 6,7g Zucker über Gemüse auf. Bei Einhaltung der Empfehlung der DGE wären es täglich 10,1g Zucker.
Ist das viel oder wenig?
Laut Statista nehmen die Deutschen ca. 95g Zucker pro Tag auf. In Relation zu dieser Menge, ist die tatsächliche Zuckeraufnahme über Gemüse gering. Für die Gesamtaufnahme von Zucker, also freier plus natürlich enthaltener Zucker, gibt es keine Empfehlung der Fachgesellschaften. Die unbedenkliche Aufnahme von 50g Zucker pro Tag bezieht sich nur auf freie Zucker. Darunter fallen Zucker, die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen, sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten natürlich vorkommende Zucker. Laut Definition werden also die 10,1g natürlich enthaltener Zucker über Gemüse nicht in die 50g-Empfehlung eingerechnet. Andernfalls würde ein Fünftel der als unbedenklich geltenden Zuckermenge mit Gemüse abgedeckt werden!
Ist getrocknetes Gemüse vergleichbar mit Trockenobst?
Eine der empfohlenen drei Portionen Gemüse kann eine Paprika oder drei Tomaten sein. Auch ein Glas Gemüsesaft ist eine Möglichkeit. Ein Smoothie gilt eher als eine Option für eine Portion Obst, nicht für Gemüse. Vorgeschlagen ist ebenfalls eine Handvoll getrocknete Hülsenfrüchte wie Linsen oder Erbsen.
Trockengemüse ist vom Trocknungsprozess vergleichbar mit getrockneten Früchten. Der Unterschied ist, dass in der Regel getrocknetes Gemüse zum Verzehren wieder in Wasser aufgequollen wird, während Trockenobst direkt gegessen wird. Getrocknetes Gemüse wird deswegen auch als Quellgemüse bezeichnet. Je nach Verwendungszweck wird aber auch auf das Quellen verzichtet.
Die Gemüsesorten werden nach dem Ernten gesäubert, zerkleinert, blanchiert oder gedämpft. Die weitere Trocknung geschieht an der Luft oder durch Gefriertrocknung. Das Ziel ist, dass nur das Wasser entzogen ist und die wertvollen Inhaltsstoffe wie sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine und Aromastoffe erhalten bleiben. Dasselbe gilt auch für Konzentrate, die durch das Entziehen von Wasser bei Gemüsesaft entstehen.
Getrocknetes Gemüse gibt es in verschiedenen Schnittgrößen: Pulver, Flocken, Stücke, Granulat, Streifen und Würfel.
Welche Vorteile bieten getrocknetes Gemüse?
Die Vorteile gegenüber frischem oder tiefgekühltem Gemüse sind:
- Getrocknetes Gemüse ist lange haltbar, oft zwölf Monate und länger. Frisches Gemüse hält sich dagegen nur ein paar wenige Tage.
- Es erfordert keine Energie für eine kühle Lagerung.
- Bei Gemüse in der Tiefkühlung entsteht in geöffneten Packungen Frostbrand. Auch das Problem entfällt bei getrocknetem Gemüse.
- Der Verbraucher muss das Gemüse nicht waschen, schälen, schneiden und hat damit auch kein Abfall
- Der Nähr- und Mineralstoffgehalt ist höher.
- Das Gemüse bleibt naturbelassen, es kommt zu keiner weiteren Kombination und Verarbeitung mit weiteren Stoffen (außer teilweise Schwefel)
- Trockengemüse ist leichter und kompakter als frisches oder tiefgekühltes Gemüse und damit einfacher zum Transportieren (z.B. entspricht fünf kg Trockenpilz etwa 75-100 kg frische Pilze)
Wo wird getrocknetes Gemüse genutzt?
Zum Einsatz kommt getrocknetes Gemüse in Pasta, Trockensuppen, Saucen und Salate. Auch in Konserven und in der Käse-, Snack- und Fleischwarenindustrie wird Trockengemüse verarbeitet.
Direktsäfte, Pürees und Konzentrate werden neben Säften für Smoothies, Erfrischungsgetränke, Milchprodukte, Eiscreme, Süßwaren, Snacks, Suppen und Saucen verwendet.
Gemüse wird vor allem wegen der natürlichen Farbstoffe und Aromen benutzt, weniger wegen des Zuckers. Bei hohem Nähr- und Mineralstoffgehalt liegt das Hauptaugenmerk auf Vitaminen, Mineralstoffen und besonders sekundären Pflanzenstoffen.
Daher werden getrocknete Gemüse-Extrakte auch als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Die Idee dahinter ist, dass Verbraucher im Gemüsekonsum unterstützt werden und in kleinerer Form die positiven Eigenschaften des Gemüses aufnehmen. Dazu kommentiert die DGE: „Extrakte, Konzentrate etc. aus Gemüse und Obst sind grundsätzlich keine Alternative zum täglichen Verzehr von 5 Portionen Gemüse und Obst in unerhitzter und erhitzter Form.“
Gemüsesäfte, Smoothies und eingelegtes Gemüse – wie viel Zucker steckt drin?
Häufig konsumierte verarbeitete Produkte mit Gemüse sind Smoothies, Säfte und oder eingelegtes Gemüse. Ist der Zuckergehalt durch die Verarbeitung deutlich erhöht?
Gemüsesäfte
Obstsäfte gelten schon länger als zuckerhaltiges Lebensmittel. Beim Nutri-Score kommen Fruchtsäfte selten auf einen grünen Buchstaben, da der Zucker- und Energiegehalt bei Getränken strenger bewertet wird, als bei festen Lebensmitteln. Traubensaft erhält die schlechteste Bewertung von einem E, Orangen-, Apfel- und Multivitaminsäfte ein gelbes C. Daher wird empfohlen, Fruchtsäfte mit Wasser zu verdünnen.
Gemüsesäfte dagegen haben den Ruf eine gesunde Alternative zu sein. Auf den Zuckergehalt hin geprüft, stellt sich heraus, dass Gemüsesäfte ebenfalls einen hohen Zuckergehalt haben können: Bis zu 10g Zucker pro 100ml können enthalten sein. Das ist sogar mehr als in Orangensaft, in dem ca. 8g/100ml Zucker ist. Je nach Gemüsesorte ist der Zuckeranteil unterschiedlich; bei Rote Bete ist er höher, bei Sauerkraut niedriger. Die hohen Zuckergehalte sind nicht immer das Ergebnis von 100% Gemüse; es wird teilweise zusätzlich gesüßt, z.B. mit Honig in Möhrensaft.
Rhabarber-Saft erhält die schlechteste Bewertung mit E und sollte damit nur selten getrunken werden. Rote Bete-Säfte bekommen ein C, was dieselbe Bewertung wie bei den meisten Fruchtsäften ist. Produkte mit einem C sollten nur gelegentlich getrunken werden. Bei Möhrensaft kommt es auf die Sorte an, ob es ein C oder B erhält. B als die zweitbeste Bewertung erzielen auch Sauerkrautsaft, Tomatensaft und Selleriesaft. Die beste Bewertung mit einem A erreicht bei Getränken grundsätzlich nur Wasser.
Neben der Bewertung des Nährwertprofils weisen Zahnärzte darauf hin, dass nicht nur Zucker Zahnschäden zur Folge haben kann, sondern auch Säuren. Ein übermäßiger Verzehr von Säften kann bei Zähnen Erosionen bewirken. Deswegen wird empfohlen nicht zu viel Saft zu trinken und ihn nicht schluckweise oder mit einem Strohhalm über längere Zeit zu trinken.
Smoothies
Eine beliebte Form Gemüse und Obst zu verzehren sind Smoothies. Der Konsum stieg in den letzten Jahren an. Mehrmals pro Woche Smoothies zu trinken, ist im Jahr 2018 bei rund zwei Millionen Verbraucher in Deutschland der Fall gewesen.
Im Unterschied zu Gemüsesäften ist der Wasseranteil bei Smoothies geringer und der Nährstoffgehalt höher. Smoothies werden zusammengestellt aus Stücken ganzer Früchte/Gemüsesorten, Püree, Mark, Saft und Konzentraten. Der Anteil an Gemüse in Smoothies liegt kaum über 50%. Geschmacklich werden die Smoothies mit höherem Fruchtanteil präferiert.
Insgesamt erhalten Smoothies eine mittlere Bewertung beim Nutri-Score. Grundsätzlich kann nicht gesagt werden, dass Smoothies mit einem hohen Gemüseanteil einen geringeren Zuckergehalt haben. Die Empfehlung lautet also hier: gelegentlicher Verzehr.
Eingelegtes Gemüse
Eine Möglichkeit Gemüse länger haltbar zu machen, ist das Einlegen in Lake. Das chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart cvua hat im Jahr 2018 71 verschiedene Gläser mit eingelegtem Gemüse untersucht. Neben der unterschiedlichen Zuckerkonzentration der Sorten wirkt sich auch zugesetzter Zucker auf den Gehalt aus. Die Unterschiede lagen bei einer Gemüsesorte bis fast 7 g Zucker pro 100g. Manche Hersteller benutzen Süßstoffe wie Saccharin, damit der Zuckergehalt nicht zu hoch wird.
Das Fazit von der Untersuchung von cvua lautet, dass es sich lohnt einen genaueren Blick auf die Verpackungsangaben zu werfen. Grundsätzlich darf auch hier nicht blind davon ausgegangen werden, dass nur weil Gemüse groß auf der Verpackung steht, ein gesundes Produkt vorliegt.
Verliert Gemüse seinen gesunden Ruf?
Der von Natur aus in Gemüse enthaltener Zucker fällt insgesamt niedriger aus als in Obst, kann aber bei „zuckerreichen“ Sorten mit Früchten verglichen werden. Durch Trocknung ist der Zuckergehalt höher, da aber getrocknetes Gemüse selten direkt verzehrt wird, sondern erst wieder nach Wasserzugabe, kann das für die Gesamtzuckeraufnahme beim Verbraucher vernachlässigt werden. Als süßendes Lebensmittel wird getrocknetes Gemüse in Stücken oder Pulver nicht verwendet. Der Fokus liegt eher auf den Farbstoffen, den Aromastoffen und den sekundären Pflanzenstoffen. Züchter versuchen ihre Gemüsesorten dahingehend zu optimieren, dass sie süßer, schöner, weniger bitter und länger haltbar werden. Der Ernährungspsychologe Thomas Ellrott vermutet, dass das den bisher eher geringen Konsum von Gemüse erhöhen würde. Allerdings könnte die Steigerung des Zuckergehalts auch dazu führen, dass Gemüse als süßendes Lebensmittel in den Fokus geraten könnte. Aber bis dahin darf und wird Gemüse seinen gesunden Ruf beibehalten.
Quellen:
https://www.in-form.de/wissen/obst-gemuese-gesund/
Versorgung mit Gemüse - BMEL-Statistik. https://www.bmel-statistik.de/fileadmin/daten/SJT-4040200-0000.xlsx
https://www.5amtag.de/wissen/was-ist-5-am-tag/
https://www.lebensmittellexikon.de/t0000390.php
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/sind-gemuese-und-obstextrakte-wirklich-so-gesund-13388
https://www.gruenewald-international.com/produkte/
https://www.doehler.com/de/unser-portfolio/natuerliche-ingredients/frucht-und-gemuese-ingredients/gemuese-ingredients.html
https://lebensmittel-naehrstoffe.de/zuckergehalt-obst-und-obstsorten/
https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/gemuese-und-obstprodukte-als-nahrungsergaenzungsmittel/
Konsensuspapier „Quantitative Empfehlung zur Zuckerzufuhr in Deutschland“ der DAG, DDG und DGE https://www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/stellungnahme/Konsensuspapier_Zucker_DAG_DDG_DGE_2018.pdf
https://trockengemuese-online.de/de/trockengemuese-online-shop
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/Lebensmittel-Kennzeichnung/LeitsaetzeGemuesesaft.pdf
https://de.statista.com/themen/6617/zuckerindustrie-in-deutschland/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/398958/umfrage/konsum-von-smoothies-in-deutschland/
https://www.oekotest.de/essen-trinken/Lebensmittel-Lobby-will-Nutri-Score-verwaessern-Sieben-Beispiele-in-Bildern_11375_1.html
https://www.vzhh.de/sites/default/files/medien/134/dokumente/2019-10_Verbraucherzentrale-Hamburg_Fragen-und-Antworten-zum-Nutri-Score.pdf
https://www.thieme.de/statics/dokumente/thieme/final/de/dokumente/tw_zahnmedizin/Erosionen_Grunau_Zaup1_13.pdf
https://www.oekotest.de/essen-trinken/Gemuesesaft-Test-Das-sind-die-besten-Karottensaefte-und-Rotebeetesaefte-_110666_1.html
https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=2&ID=2853&lang=DE&Pdf=No
https://www.spektrum.de/news/werden-obst-und-gemuese-immer-ungesuender/1303910